Meinungsäußerungsfreiheit deckt auch scharfe und überzogene, abwertende Meinungsäusserung; erst Schmähkritik ist untersagt

a) § 824 Abs. 1 BGB bietet keinen Schutz vor abwertenden Meinungsäußerungen. Dies gilt auch für Äußerungen, in denen Tatsachen und Meinungen sich vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind.
b) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schützt auch das Interesse des Unternehmers daran, dass seine wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, ge-schwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihm abgehalten werden.
c) Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmäh-kritik angesehen werden.

BGH URTEIL VI ZR 39/14 vom 16. Dezember 2014

BGB § 823 Ah; § 824; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12; MRK Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1

a) § 824 Abs. 1 BGB bietet keinen Schutz vor abwertenden Meinungsäuße-rungen. Dies gilt auch für Äußerungen, in denen Tatsachen und Meinungen sich vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Da-fürhaltens oder Meinens geprägt sind.
b) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schützt auch das Interesse des Unternehmers daran, dass seine wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, ge-schwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihm abgehalten werden.
c) Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunter-nehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäuße-rungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzo-gen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmäh-kritik angesehen werden.

BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14 – OLG Frankfurt in Kassel
LG Kassel
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, den Richter Stöhr und die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin stellt Hochleistungsmagneten zur Einsparung von fossilen Brennstoffen bei dem Betrieb von Heizungsanlagen her. Sie ist Inhaberin des beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Patents über die „An-ordnung zur magnetischen Ionisierung eines kohlenwasserstoffhaltigen Treib-stoffs sowie deren Verwendung“. Nach der Patentschrift liegt die Aufgabe der Erfindung darin, den Verbrennungswirkungsgrad des behandelten Treibstoffes signifikant zu erhöhen. Der Beklagte hat Physik und Architektur studiert. Er ist der Auffassung, dass die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Vor-richtungen keine Energieeinsparung bewirkten und die Klägerin dies wisse. Am
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7. Juni 2011 teilte er einer Kundin der Klägerin unter voller Nennung der im Fol-genden abgekürzt wiedergegebenen Namen per E-Mail mit:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
ich schreibe derzeit an einem Artikel über einen groß angelegten Schwindel durch eine Firma S. GmbH, die unter dem Markennamen E. Magne-te vermarktet, die an die Brennstoffleitung einer Heizungsanlage geklemmt auf wundersame Weise enorme Energieeinsparungen bewirken sollen. Die Wirkung dieser Magnete entspricht der eines Perpetuum Mobiles, die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung der Magnete ist völliger Unsinn.
Zu den Opfern dieses Betruges gehört auch Ihr Unternehmen. Wie Herr J. vom Facility Management Ihres Unternehmens berichtet, wurden Hei-zungsanlagen in Ihren Niederlassungen A. und W. mit diesen Magneten ausge-stattet.
Ich würde mich freuen, wenn Sie zu dieser Angelegenheit Stellung be-ziehen könnten. Mich interessiert dabei insbesondere, ob Sie durch Ihren Hei-zungslieferanten oder Energieberater zu diesen Magneten zum Kauf dieser Magnete motiviert wurden, oder ob sich diese nach Kauf dazu geäußert haben. Besonders interessant ist auch, wie die Messung der angeblichen Effizienzstei-gerung durchgeführt wurde. Gerne wird Ihnen dazu jeder Schornsteinfeger be-stätigen, dass solch eine Effizienzsteigerung nach einer normalen Wartung und Reinigung, die eventuell beim Einbau der Magnete erfolgte, problemlos mess-bar ist.
Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass sich Ihr Unternehmen durch die Bereitstellung des Anwenderberichts zu Werbezwecken für dieses
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Scharlatanerieprodukt (http://www.e.com/pressemeldungen/pdf/anwenderbe-richt_e..pdf) gegenüber dadurch beeinflussten weiteren Opfern des Betrugs eventuell schadensersatzpflichtig macht.
Vielen Dank und herzliche Grüße
T. B.
Wissenschaftsjournalist“
Nachdem die Klägerin den Beklagten abgemahnt und seine Äußerungen als Schmähkritik bezeichnet hatte, teilte der Beklagte mit E-Mail vom 17. Juni 2011 unter Angabe eines Links mit, das Abmahnschreiben habe ihn veranlasst, den Betrug durch die Klägerin auch im Usenet bekannt zu machen.
Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, die Behauptungen zu un-terlassen, die Klägerin initiiere mit der Vermarktung ihres unter dem Marken-namen „E.“ hergestellten Produktes einen „groß angelegten Schwindel“ bzw. „Betrug“, bei den Kunden der Klägerin handele es sich um „Opfer dieses Be-trugs“, bei den „E.“-Produkten der Klägerin handele es sich um „Scharlatanerie-produkte“, die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines „Perpetuum-Mobiles“, die vom Hersteller herbeigezerrte wissen-schaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei völliger Unsinn. Das Landgericht hat den Beklagten darüber hinaus verurteilt, es zu unterlassen, unmittelbar an Kunden der Klägerin mit den vorgenannten Behauptungen her-anzutreten, und an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.974,40 € zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklag-te seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Unterlas-sungsansprüche gegen den Beklagten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1, § 824 BGB zu. Durch die beanstandeten Äußerungen habe der Beklagte die unternehmensbezogenen Interessen des Unternehmens der Klägerin betroffen, die sowohl durch ihr Persönlichkeitsrecht als auch durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt seien. Die Äußerungen des Beklagten genössen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie als unzulässige Schmähkritik zu quali-fizieren seien. Ausweislich seiner E-Mail vom 7. Juni 2011 gehe es dem Beklag-ten vorrangig nicht um eine Auseinandersetzung mit der von ihm behaupteten Wirkungslosigkeit der von der Klägerin verwendeten Technik. Hierzu enthielten seine Ausführungen kaum einen brauchbaren Anhaltspunkt. Vielmehr gehe es dem Beklagten ersichtlich darum, das Unternehmen der Klägerin in den Augen auch von Kunden herabzusetzen. Während der Leser der E-Mail – anders als aus dem Bericht des Bayerischen Landesamtes für Umwelt – keinerlei Informa-tionen erlange, aus welchen Gründen die Technik der Klägerin unbrauchbar sein solle, werde er ohne nähere Darlegungen mit angeblich betrügerischen Machenschaften der Klägerin konfrontiert. Dies habe mit einer Auseinanderset-zung in der Sache nichts zu tun, sondern ziele einzig und allein darauf ab, die Klägerin als Betrügerin darzustellen und den Adressaten vor ihr zu warnen. Der Beklagte habe die Klägerin gleichsam als Betrügerin an den Pranger gestellt. Das Landgericht habe sich auch nicht mit den vom Beklagten behaupteten journalistischen und verbraucherschützenden Motiven für sein Verhalten ausei-nandersetzen müssen, da er sich erstinstanzlich nicht auf diese Motive berufen habe. Soweit er sie mit der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, sei er
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mit dem Vortrag ausgeschlossen. Abgesehen davon habe er seine Motive be-reits nicht nachvollziehbar und glaubhaft dargetan. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Artikel verfasst, ohne dass er dargelegt habe, was ihn daran gehindert habe, journalistisch tätig zu werden. Aber auch dann, wenn seine Motive tat-sächlich journalistischer Art gewesen wären, würde es an der Bewertung seiner Äußerungen als Schmähkritik nichts ändern.
II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufge-führten Äußerungen und Verhaltensweisen nicht bejaht werden.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein An-spruch des Klägers auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen nicht aus § 824 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 824 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt, da die angegriffenen Äußerungen nicht als Tatsa-chenbehauptungen zu qualifizieren sind.
a) Gemäß § 824 Abs. 1 BGB hat derjenige, der der Wahrheit zuwider ei-ne Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines ande-ren zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen und nicht bloß Wertur-teile mitgeteilt werden. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturtei-
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len bietet § 824 Abs. 1 BGB keinen Schutz (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2011 – VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 62; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 12 Rn. 60; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5 Rn. 246; Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, § 824 Rn. 2 ff.).
b) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil ein-zustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 – VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 72 m.w.N.). Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äuße-rung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt (BVerfGE 90, 241, 247; 94, 1, 8; BVerfG NJW 2000, 199, 200; NJW 2008, 358, 359). Wesentlich für die Einstufung als Tatsa-chenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Rich-tigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteile vom 22. Februar 2011 – VI ZR 120/10, AfP 2011, 259 Rn. 10; vom 17. November 2009 – VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 15; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 63; BVerfGE 90, 241, 247; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Ele-mente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tat-sächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Se-natsurteile vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom
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11. März 2008 – VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 – VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als aus-schlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungs-freiheit wesentlich verkürzt werden (BVerfGE 85, 1, 15 f. m.w.N.; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846).
Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachen-behauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (Senatsurteile vom 22. Sep-tember 2009 – VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; vom 11. März 2008 – VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 5. Dezember 2006 – VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 14; BVerfGK 10, 485, 489). Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 20; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 27. Mai 2014 – VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rn. 13; BVerfG, NJW 2013, 217, 218).
c) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen als Mei-nungsäußerungen zu qualifizieren. Die Äußerungen, die Klägerin betreibe mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen E. hergestellten Produktes ei-nen „groß angelegten Schwindel“ bzw. „Betrug“, bei den Kunden der Klägerin handele es sich um „Opfer dieses Betrugs“, bei den E.-Produkten der Klägerin handele es sich um „Scharlatanerieprodukte“, die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines „Perpetuum-Mobiles“ und die vom Hersteller „herbeigezerrte“ wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wir-
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kung sei „völliger Unsinn“, sind entscheidend durch das Element des Dafürhal-tens und Meinens geprägt. Zwar weisen alle Teilaussagen in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt der Beklagte mit den Be-griffen „Schwindel“, „Betrug“, „Scharlatanerieprodukte“ und „Unsinn“ im vorlie-genden Zusammenhang zum Ausdruck, dass die von der Klägerin bei der Ver-marktung ihres Produkts hervorgehobene energieeinsparende Wirkung der Magnete tatsächlich nicht gegeben sei. Die von der Klägerin zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungs-weise treffe nicht zu, die (angeblich) gemessenen Einsparungen könnten auch auf eine beim Einbau der Magnete erfolgte Wartung und Reinigung der Hei-zungsanlage zurückzuführen sein und die Klägerin habe hiervon Kenntnis. Hier-in erschöpfen sich die Aussagen aber nicht; sie bringen vielmehr in erster Linie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der Klägerin durch den Beklag-ten zum Ausdruck und enthalten damit eine subjektive Wertung, die mit den tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden ist. Auch dem Begriff „Betrug“ kommt im vorliegenden Zusammenhang kein weiterge-hender Aussagegehalt zu. Er wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 14. Mai 2013 – VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 14; BVerfGE 85, 1, 19; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 42). Ein durchschnittlicher Leser versteht unter dieser Behauptung nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes, sondern den weiter gefassten Vorwurf der bewussten Verbrauchertäuschung.
2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufge-führten Äußerungen und Verhaltensweisen aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.
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a) Zwar ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlich-keitsrechts der Klägerin eingreifen. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsan-spruch der KIägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1986 – VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 – VI ZR 286/93, AfP 1994, 138 f.; vom 11. März 2008 – VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9). Denn die Verwendung der beanstandeten Begriffe ist geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
Die angegriffenen Äußerungen berühren darüber hinaus das durch Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Betroffen ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch in-haltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwä-gungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und ande-re Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden (vgl. Se-natsurteil vom 11. März 2008 – VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 98; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711; NJW 2008, 358, 359 f.). Die angegriffenen Äußerungen sind geeignet, eine Verunsicherung der Kunden der Klägerin zu bewirken mit der Folge, dass diese die angebotenen Leistungen nicht (mehr) nachfragen.
Das zuletzt genannte Interesse der Klägerin wird zusätzlich dadurch be-troffen, dass der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen unmittelbar an Kunden der Klägerin herangetreten ist.
b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläge-
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rin und ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig sind.
aa) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer erge-ben (Senatsurteile vom 11. März 2008 – VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12; vom 21. April 1998 – VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 318; BGH, Urteil vom 24. Janu-ar 2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 97; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezem-ber 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 11. März 2008 – VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 12). Bei der Abwägung sind die betroffenen Grund-rechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffe-nen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, juris Rn. 19, z.V.b.; vom 17. Dezem-ber 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
bb) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Beru-fungsgerichts, die danach erforderliche Abwägung sei vorliegend entbehrlich, weil die angegriffenen Äußerungen als Schmähkritik zu qualifizieren seien und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG teilhätten.
(1) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Be-griff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur
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Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine Schmähung liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; BVerfG, AfP 2013, 388 Rn. 15; NJW 2014, 3357 Rn. 11; NJW-RR 2004, 1710, 1712, jeweils m.w.N.). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (Senatsur-teile vom 21. April 1998 – VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 11. März 2008 – VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 16).
(2) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Äußerungen nicht als Schmähkritik zu qualifizieren. Auch hier ist nämlich zu beachten, dass eine Aussage nicht isoliert gewürdigt werden darf, sondern in dem Gesamtzusam-menhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. De-zember 2006 – VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 19). Der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 kann bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ein Sachbe-zug nicht abgesprochen werden. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grund-lage. Der Beklagte setzt sich – wenn auch in scharfer und möglicherweise über-zogener Form – kritisch mit der gewerblichen Leistung und dem Geschäftsgeba-ren der Klägerin auseinander. Ihm geht es erkennbar darum, die aus seiner Sicht gegebene völlige Wirkungslosigkeit der Produkte der Klägerin aufzude-
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cken und zur Unterrichtung der Marktteilnehmer und zur Markttransparenz bei-zutragen. Zu diesem Zweck bittet er den angeschriebenen Kunden der Klägerin um nähere Informationen, wie es zu dem Anwenderbericht des Kunden ge-kommen ist, den die Klägerin zu Werbezwecken für ihr Produkt verwendet. So bittet er insbesondere um Mitteilung, wie die Messung der angeblichen Effi-zienzsteigerung der Heizung durchgeführt wurde, und weist darauf hin, dass eine Effizienzsteigerung bereits nach einer normalen Wartung und Reinigung zu erwarten sei.
cc) Im Streitfall sind deshalb die unter a) genannten Schutzinteressen der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.
(1) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind ver-schiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwä-gungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 – VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.). Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich – wie im vorliegenden Fall – wertende und tatsächliche Elemente in der Weise ver-mengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grund-recht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 – VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 18; vom 20. November 2007 – VI ZR 144/07, VersR 2008, 1081 Rn. 12; BVerfGE 90, 241, 248 f.; 94, 1, 8; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846; NJW 2008, 358, 359 f., 38; NJW 2012, 1643 Rn. 34). Denn an der Auf-rechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein
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schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hinge-nommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Se-natsurteil vom 30. Oktober 2012 – VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33). Dementsprechend muss sich ein Gewerbe-treibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 – VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 171; vom 22. September 2009 – VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 – Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. – Fayed/ Vereinigtes Königreich).
(2) Auf der Grundlage des mangels gegenteiliger Feststellungen revisi-onsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Beklagten hat das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunter-nehmen und ihrer unternehmensbezogenen Interessen nach diesen Grundsät-zen hinter dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten. Nach dem – u.a. durch Vorlage zweier Privatgutachten und eines Warnschreibens des Bayerischen Landesamtes für Umwelt konkretisierten – Sachvortrag des Be-klagten sind die tatsächlichen Elemente seiner insgesamt als Meinungsäuße-rungen zu qualifizierenden Aussagen wahr. Denn danach sind die von der Klä-gerin mit dem Versprechen der Energieeinsparung bei dem Betrieb von Hei-zungsanlagen vertriebenen Magnete wirkungslos. Die angeblich energieeinspa-rende Wirkung der Magnete ist tatsächlich nicht gegeben. Etwaige Energieein-sparungen nach dem Einbau eines Magneten sind auf eine beim Einbau des Magneten erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen. Die von der Klägerin durchgeführten, eine Effizienzsteigerung belegenden Mes-
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sungen sind nicht aussagekräftig, da sie nicht unter standardisierten Bedingun-gen und von objektiven Dritten durchgeführt worden sind. Die zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wir-kungsweise trifft nicht zu; der als Beleg für die Wirkung der Magnete hergestell-te Bezug zur Kernspinresonanz ist frei erfunden und dient der bewussten Täu-schung potentieller Kunden.
Zu Gunsten des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfol-gung von Eigeninteressen gemacht, sondern ein Informationsanliegen im Zu-sammenhang mit einer die Verbraucher wesentlich berührenden Frage verfolgt hat (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 – VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 320; vom 2. Dezember 2008 – VI ZR 219/06, AfP 2009, 55 Rn. 18; vom 22. Septem-ber 2009 – VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 21; BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1712; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 – Steel und Morris/Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 = ÖstJZ 1995, 436, 438 f. – Fayed/Vereinigtes Königreich). Auch an wirtschaftlichen Fragen kann ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der vom Verhalten eines Unternehmens betroffenen Kreise, bestehen. Eine marktwirt-schaftliche Ordnung setzt voraus, dass die Marktteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Wie sich bereits aus der E-Mail des Be-klagten vom 7. Juni 2006 ergibt, ging es ihm ungeachtet seiner überspitzten Formulierungen darum, über fragwürdige Geschäftspraktiken aufzuklären. Dar-über hinaus ergab sich für den Empfängerkreis bereits aus der Art der Darstel-lung, dass ein subjektives Werturteil formuliert wurde. Schließlich ist zu berück-sichtigen, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten im Kern betroffen wird, wenn ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wird. Die Verurtei-lung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes
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der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325, 329; BVerfG, AfP 2012, 549 Rn. 35).
3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Parteien auseinanderzusetzen.
Galke Diederichsen Stöhr
v. Pentz Oehler
Vorinstanzen:
LG Kassel, Entscheidung vom 21.09.2012 – 7 O 15/12 –
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 08.05.2013 – 15 U 16/13 –