Ist der biometrische Reisepass rechtskonform oder datenschutzwidrig?

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 3382/07 vom 15.05.2012

Vorlagebeschluss zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Frage der Rechtmäßigkeit des biometirschen Reisepasses.

Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

II.

Es wird gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. b) und Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgender Frage eingeholt:

Ist Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (ABl. L 385/1 vom 29. Dezember 2004) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 444/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 (ABl. L 142 vom 06. Juni 2009) gültig?


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G r ü n d e :
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1 I. Die Kammer entscheidet in der gleichen Besetzung, in der sie die Entscheidung treffen müsste, für die die Vorlagefrage erheblich ist, also unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 31. März 2008 – 10 C 32/07 – (juris, Randnr. 7).
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2 Der Rechtsstreit wird in entsprechender Anwendung von § 94 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union zur Gültigkeit von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 einzuholen.
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3 II. Rechtlicher Rahmen
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4 Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 444/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 enthält folgende Regelung:
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Die Pässe und Reisedokumente sind mit einem Speichermedium mit einem hohen Sicherheitsstandard versehen, das ein Gesichtsbild enthält. Die Mitgliedstaaten fügen auch zwei Fingerabdrücke, die bei flach aufgelegten Fingern genommen werden, in interoperablen Formen hinzu. Die Daten sind zu sichern, und das Speichermedium muss eine ausreichende Kapazität aufweisen und geeignet sein, die Integrität, die Authentizität und die Vertraulichkeit der Daten sicherzustellen.
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5 III. Tatbestand
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6 Der Kläger hat bei der Beklagten die Erteilung eines Reisepasses beantragt, wobei er die Erfassung seiner Fingerabdrücke verweigerte. Nachdem die Beklagte diesem Antrag nicht entsprochen hat, verfolgt der Kläger mit der vorliegenden fristgerechten Klage sein Begehren weiter, die Beklagte zu verpflichten, ihm den beantragten Reisepass zu erteilen, ohne Fingerabdrücke von ihm zu erfassen.
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7 IV. Entscheidungsgründe
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8 Die vorgelegte Frage ist entscheidungserheblich. Die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 hat gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat. Dementsprechend trifft § 4 Abs. 3 des deutschen Passgesetzes vom 19. April 1986 (PassG), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 2 ÄndG vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2437), keine von dieser Verordnung unabhängige Regelung betreffend die Ausgestaltung der Reisepässe, sondern verweist auf die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004.
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9 § 4 Abs. 3 PassG lautet:
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„Auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (ABl. EU Nr. L 385 S. 1) sind der Reisepass, der Dienstpass und der Diplomatenpass mit einem elektronischen Speichermedium zu versehen, auf dem das Lichtbild, Fingerabdrücke, die Bezeichnung der erfassten Finger, die Angaben zur Qualität der Abdrücke und die in Absatz 2 Satz 2 genannten Angaben gespeichert werden. Die gespeicherten Daten sind gegen unbefugtes Auslesen, Verändern und Löschen zu sichern. Eine bundesweite Datenbank der biometrischen Daten nach Satz 1 wird nicht errichtet.“
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10 Da das deutsche Passgesetz somit den verbindlichen Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 folgt und diese unter Bezugnahme auf diese Verordnung in einem nationalen Gesetz umsetzt, ist die Frage der Gültigkeit der genannten Verordnung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits entscheidungserheblich. In den Fällen, in denen das innerstaatliche Recht auf zwingenden Gemeinschaftsvorschriften beruht, die den Mitgliedstaaten betreffend die maßgeblichen Regelungen keinen Entscheidungsspielraum belassen, können die innerstaatlichen Vorschriften grundsätzlich nicht am Maßstab des Grundgesetzes gemessen werden. In solchen Fällen ist die Gültigkeit der zugrundeliegenden Gemeinschaftsvorschrift im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 1 lit b) AEUV zu klären, wenn diesbezügliche Zweifel im Hinblick auf die Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit primärem Gemeinschaftsrecht bestehen.
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Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04. Oktober 2011 – 1 BvL 3/08 -, Gründe B. I (juris, Randnr. 44 ff.) und Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 -, Gründe C.I. (juris Randnr. 65 f.); Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im öffentlichen Recht 2009, § 11 Randnr. 22.
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11 Die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Frage entfällt auch nicht ausnahmsweise gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 PassG. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass dem Kläger im Sinne dieser Vorschrift die Abnahme der Fingerabdrücke aus medizinischen Gründen, die nicht nur vorübergehender Art sind, unmöglich ist.
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12 Die Vorlage ist auch gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV erforderlich.
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13 Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren u. a. geltend, die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 sei sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht rechtswidrig und damit ungültig. Er trägt unter Darlegung einschlägiger Rechtsprechung und Literatur vor, dass diese Verordnung ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage und nicht verfahrensordnungsgemäß erlassen worden sei. Darüber hinaus sei durch sie das durch Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) geschützte Grundrecht auf Schutz persönlicher Daten verletzt.
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14 Die Kammer hat hiervon ausgehend die in Rechtsprechung und Lehre zur Frage der Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 444/2009 und der Rechtmäßigkeit ihrer in Art. 1 Abs. 2 getroffenen Regelungen vertretenen Auffassungen geprüft.
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15 Dabei kann die Kammer zunächst nicht feststellen, dass die Vorlagefrage bereits in einem gleich gelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist oder bereits eine gesicherte Rechtsprechung vorliegt, durch die die Vorlagefrage geklärt ist. Insbesondere ist durch das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft vom 18. Dezember 2007 – Vereinigtes Königreich/Rat, Aktenzeichen C-137/05 – (Slg. 2007, I-11593) die Vorlagefrage noch nicht abschließend geklärt. In dieser Rechtssache wurde der Gerichtshof vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland im Rahmen einer Nichtigkeitsklage vor allem um eine Auslegung des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes in den Rahmen der Europäischen Union ersucht.
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Vgl. näher Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 10. Juli 2007 im Verfahren C-137/05, I-Einleitung (Slg. 2007, I-11593).
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16 Dass mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 18. Dezember 2007 (C-137/05) die Frage, ob Art. 62 Nr. 2a) des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) eine hinreichende Kompetenzvorschrift zum Erlass der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 ist, bereits abschließend beantwortet wurde, kann nicht festgestellt werden.
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17 In der deutschen Lehre wird die Kompetenz der Gemeinschaft für diese Verordnung nach wie vor verneint bzw. als zweifelhaft angesehen,
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vgl. Selbmann/Zeh, Die Speicherung von Fingerabdrücken in Reisepässen im Spannungsverhältnis zwischen Verfassungs- und Unionsrecht, Sächsische Verwaltungsblätter 2012, 77 (81), Hornung/Möller, Passgesetz, Personalausweisgesetz, Kommentar 2011, § 4 PassG, Randnr. 51 m.w.N. unter Hinweis auf die nunmehr bestehende ausdrückliche Kompetenz nach Art. 77 Abs. 3 AEUV,
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vor allem da es sich nicht um ein Verfahren zum besonderen Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union im Sinne des Art. 62 Nr. 2a) EG handele. Vielmehr gelte der Pass für die Einreise in sämtliche Staaten, die eine Identifizierung durch Reisepass verlangen.
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Vgl. auch die ausführlichen Darlegungen von Pallasky, Datenschutz in Zeiten globaler Mobilität – Eine Untersuchung des Verhältnisses von Datenschutz und Gefahrenabwehr im Reisebereich, 2007 (ISBN 978.3-8309-2247-4), S. 44-49, der zu dem Ergebnis kommt, dass Art. 62 Nr. 2 a) EG mangels Eröffnung seines sachlichen Anwendungsbereichs nicht als Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 herangezogen werden konnte.
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18 Auch die in der Lehre als zweifelhaft angesehene Frage, ob das Europäische Parlament vor Erlass der streitigen Verordnung nach dem damals anwendbaren Art. 67 Abs. 1 EGV ordnungsgemäß angehört worden ist, beantwortet das Urteil vom 10. Juli 2007 im Verfahren C-137/05 nicht. Als rechtswidrig bzw. jedenfalls rechtlich bedenklich erachtet wird insoweit, dass die Vorlage an das Parlament lediglich die fakultative Aufnahme von Fingerabdrücken vorsah und die entsprechende Verpflichtung erst nach der Stellungnahme des Parlaments am 02. Dezember 2004 durch den Rat eingefügt wurde, ohne dass die Verordnung dem Parlament zur erneuten Stellungnahme vorgelegt wurde.
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Vgl. Selbmann/Zeh, a.a.O., S 81/82; Roßnagel/Hornung, Reisepässe mit elektronischem Gesichtsbild und Fingerabdruck – die EG-Verordnung 2252/2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten, Die Öffentliche Verwaltung 2005, S. 983 (984); Hornung/Möller, a.a.O., § 4 PassG Randnr. 51; vgl. auch Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 29. Oktober 1980 im Verfahren Roquette Frères/Rat C- 138/79 (Slg. 1980, 0333), Leitsatz Nr. 4 zur Wesentlichkeit der Formvorschrift der Anhörung des Parlaments.
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19 Weiter stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, welche Bedeutung die Verordnung (EG) Nr. 444/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 für einen eventuellen Verstoß gegen Art. 67 Abs. 1 EGV bei Erlass der letztgenannten Verordnung hat.
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20 In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (früher: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften) ist des Weiteren bislang nicht geklärt, ob Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 gegen Art. 8 EMRK und Art. 8 GRC im Hinblick auf das Grundrecht auf Schutz persönlicher Daten verstößt. Die Generalanwältin U. hat in ihrem Schlussantrag vom 10. Juli 2007 im Verfahren Vereinigtes Königreich/Rat C-137/05 darauf hingewiesen, dass diese Verordnung zu Problemen unter dem Gesichtspunkt der Grundrechte führen könne. Dies gelte vor allem im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK und Art. 8 GRC, wie insbesondere in der deutschen Lehre hervorgehoben werde. Das Vereinigte Königreich habe die in Rede stehende Verordnung jedoch nicht wegen Verletzung des Grundrechts auf Schutz persönlicher Daten angefochten.
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Vgl. Randnr. 126 des vorgenannten Schlussantrages vom 10. Juli 2007 im Verfahren C-137/05.
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21 In der deutschen Rechtsprechung und Lehre ist die materielle Rechtmäßigkeit der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 umstritten. Teilweise wird vertreten, es bestünden auch unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Regelungen in § 4 Abs. 3 und 4 PassG seien europarechtswidrig.
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Vgl. Verwaltungsgericht Dresden, Urteil vom 14. September 2011 – 6 K 1234/09 -, (juris, Randnr. 19).
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22 Andererseits kommen die Autoren zweier Dissertationen und eines Aufsatzes zu dem Ergebnis, dass die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 materiell rechtswidrig sei.
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Vgl. Altmann, Freiheitsbeschränkung durch den Reisepass? Die Vereinbarkeit der EG (VO) 2252/2004 mit Grund- und Menschenrechten, 2010 (ISBN 978-3-8329-5446-8) S. 199; Pallasky, a.a.O., S. 78 f.; Selbmann/Zeh, a.a.O., S. 79 f.
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23 Andere Stimmen in der Lehre äußern jedenfalls Bedenken im Hinblick auf die materielle Rechtmäßigkeit dieser Verordnung.
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Vgl. Roßnagel/Hornung, a.a.O., S. 987; Roßnagel/Hornung, Biometrische Daten in Ausweisen, Datenschutz und Datensicherheit, 2005, S. 69 f; siehe auch Hornung/Möller, a.a.O., § 4 Randnr. 52.
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24 Die von den vorgenannten Stimmen in der Literatur hauptsächlich angeführten Gründe für die Annahme einer materielle Rechtswidrigkeit der Verordnung (EG) 2252/2004 bzw. für entsprechende Bedenken lassen sich wie folgt zusammenfassend benennen:
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25 Durch die Verpflichtung zu zwei biometrischen Verfahren (Gesichtsbild und Fingerabdruck) habe die Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 einen tiefen Eingriff in das in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften anerkannte und über Art. 8 EMRK und Art. 8 GRC gewährleistete Gemeinschaftsgrundrecht auf Privatsphäre in seiner Ausprägung als Grundrecht auf Schutz persönlicher Daten bewirkt. Dieser angeordnete Grundrechtseingriff durch Biometrie in Reisepässen müsse, um in materieller Hinsicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen, für den bezweckten verbesserten Schutz vor betrügerischer Verwendung von Pässen geeignet, erforderlich und zumutbar sein. Eine solche Eignung des biometrischen Passes sei mit Blick auf die bei Grenzkontrollen in der Praxis erzielbaren Fehlerraten zu verneinen bzw. jedenfalls nicht ohne weiteres feststellbar. Auch gebe es vielfältige Möglichkeiten für eine Umgehung der biometrischen Merkmale bei Passkontrollen, wobei die dem entgegenwirkende Technik der Lebenderkennung noch zu unausgereift sei und zudem ebenfalls umgangen werden könne. Problematisch sei des weiteren auch die Haltbarkeit der RFID Chips in den Reisepässen und ihre Angriffsanfälligkeit gegen unbefugtes Auslesen. Auch zur Erreichung des Ziels, terroristische Anschläge zu verhindern, seien biometrische Pässe nur sehr eingeschränkt geeignet. Eine Gefahr für die Sicherheit sei nämlich vor allem die Verwendung echter Pässe mit einer erschlichenen Identität. Des Weiteren sei die vorgesehene Speicherung von Rohdatensätzen, die einen überschießenden Informationsgehalt aufwiesen, der Rückschlüsse auf bestimmte Krankheiten zulassen könne, hinsichtlich der Erkennungssicherheit nicht erforderlich. Die Verwendung reduzierter Datensätze in Form von extrahierten Templates sei daher als datenschutzrechtlich milderes Mittel vorzuziehen. Ein solches milderes Mittel zum Erreichen einer hohen Fälschungssicherheit wäre der Verzicht auf die Aufnahme biometrischer Merkmale in den Pass und die Verwendung eines herkömmlichen Reisepasses mit hohem Sicherheitsstandard, der beispielsweise sämtliche Sicherheitsmerkmale des früheren deutschen Reisepasses aufweist. Schließlich sei auch das biometrische Verfahren der Iriserkennung als datenschutzrechtlich milderes Mittel in Betracht zu ziehen. Unter Abwägung aller Aspekte, insbesondere des niedrigen Sicherheitsgewinns sowie der hohen demokratiekonstitutiven Bedeutung des Grundrechts auf Schutz personenbezogener Daten und der Gefahr des Datenmissbrauchs und von Manipulationen durch Dritte sei die Maßnahme in der ausgeführten Weise nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Dies folge zudem daraus, dass staatliche Stellen durch die gewählten biometrischen Merkmale – die auch ohne Kenntnis des Betroffenen erhoben werden könnten – Daten in höchster Qualität erhielten, die zukünftig zentral erfasst werden könnten. Darüber hinaus wird vertreten, dass die Verordnung (EG) 2252/2004 gegen das Recht auf freie Aus- und Einreise, gegen Art. 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBR) sowie gegen verschiedene Gleichheitssätze und Diskriminierungsverbote verstoße.
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26 Wegen der Einzelheiten und weiterer geltend gemachter Bedenken wird auf die zitierten Fundstellen Bezug genommen.
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27 Danach hält die Kammer zum Erlass ihres Urteils eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vorlagefrage zum Erlass ihres Urteils im Sinne des Art. 267 Abs. 2 AEUV für erforderlich. Weder besteht – wie ausgeführt – eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Vorlagefrage noch ist mit Blick auf den dargelegten Meinungsstand die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt.
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Vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 6. Oktober 1982 im Verfahren Cilfit u.a. – C – 283/81 – (Slg. 1982, 03415), Randnr. 16; BVerwG, Beschluss vom 10. November 2000 – 3 C 3/00 – (juris, Randnr. 7).
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28 Schließlich ist die Vorlage auch nicht wegen einer Umgehung der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV ausnahmsweise unzulässig.
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29 Dem Kläger kann die Bestandskraft der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 nicht entgegengehalten werden, da nicht festgestellt werden kann, dass aufgrund gefestigter Rechtsprechung keinerlei Zweifel an der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage des Klägers bestanden.
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Vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 9. März 1994 im Verfahren TWD Textilwerke Deggendorf – C-188/92 – (Slg. 1994, I-00833),Randnr. 17 f. und Schlussanträge des Generalanwalts Mazak vom 27. November 2007 im Verfahren Nuova Agricast – C-390/06 – (Slg. 2008, I-02577), Randnr. 47 f.
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30 Denn es kann in Anwendung der sog. „Plaumann-Formel“ zur Frage einer Klagebefugnis gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV bzw. Art. 230 Abs. 4 EGV nicht festgestellt werden, dass eine Nichtigkeitsklage des Klägers zulässig gewesen wäre. Der Kläger ist nämlich wegen ihrer Allgemeingültigkeit von dieser Verordnung betroffen und nicht, weil er aufgrund bestimmter persönlicher Eigenschaften oder anderer Umstände, die ihn aus dem Kreis der übrigen Personen herausheben, in ähnlicher Weise wie ein Adressat angesprochen wird.
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Vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 15. Juli 1963 im Verfahren Plaumann/Kommission – C-25/62 – (Slg. Deutsche Ausgabe 00213), Leitsatz 4 und Urteil vom 10. Dezember 2002 im Verfahren Kommission/Camar und Tico – C-312/00 – (Slg. 2002, I-11355), Randnr. 73f.; Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar 3. Aufl. 2010, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Randnr. 63 f.; Selbmann/Zeh, a.a.O., S. 78.
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31 Schließlich steht seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon auch Art. 68 Abs. 1 EGV der Vorlage der mit diesem Beschluss gestellten Frage an den Gerichtshofes der Europäischen Union nicht mehr entgegen, da diese einschränkende Sonderregelung für den damaligen Bereich „Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken des freien Personenverkehrs“ (Art. 61-69 EGV) inzwischen aufgehoben ist, so dass Art. 267 AEUV auch auf auf Art. 62 EGV gestützte Maßnahmen Anwendung findet.