Hat der Patentinhaber, nachdem er Ansprüche gegen einen Patentverletzer rechtshängig gemacht hat, einem Dritten eine ausschließliche Lizenz an dem Klagepatent eingeräumt, ist der Dritte als (Teil-)Rechtsnachfolger des Patentinhabers an der Erhebung einer eigenen Klage gegen den Patentverletzer gehindert

Hat der Patentinhaber, nachdem er Ansprüche gegen einen Patentverletzer rechtshängig gemacht hat, einem Dritten eine ausschließliche Lizenz an dem Klagepatent eingeräumt, ist der Dritte als (Teil-)Rechtsnachfolger des Patentinhabers an der Erhebung einer eigenen Klage gegen den Patentverletzer gehindert, solange die Klage des Patentinhabers rechtshängig ist. Das rechtskräftige Urteil über die Klage des Patentinhabers wirkt unter den genannten Voraussetzungen auch für und gegen den Dritten.


BGH URTEIL X ZR 70/12 vom 19. Februar 2013 – Wundverband

ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1, § 265 Abs. 2 Satz 1, § 325 Abs. 1

Hat der Patentinhaber, nachdem er Ansprüche gegen einen Patentverlet-zer rechtshängig gemacht hat, einem Dritten eine ausschließliche Lizenz an dem Klagepatent eingeräumt, ist der Dritte als (Teil-)Rechtsnachfolger des Patentinhabers an der Erhebung einer eigenen Klage gegen den Pa-tentverletzer gehindert, solange die Klage des Patentinhabers rechtshän-gig ist. Das rechtskräftige Urteil über die Klage des Patentinhabers wirkt unter den genannten Voraussetzungen auch für und gegen den Dritten.

BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 – X ZR 70/12 – OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens, den Richter Dr. Bacher, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 26. April 2012 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. April 2011 verkündete Urteil der 4a-Zivilkammer des Landgerichts Düs-seldorf unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin ab-geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht Ansprüche wegen Verletzung des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten, einen Wundverband betref-fenden europäischen Patents 855 921 (Klagepatents) geltend. Patentin-haberin ist die M. AB (im Folgenden: M. ); die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz für Deutschland. Die Beklagten sind Geschäftsführer der B. GmbH (im Folgenden:
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B. ), die in der Bundesrepublik Deutschland verschiedene als patentver- letzend angegriffene Wundverbände herstellt und vertreibt. Die gegen B. geltend gemachten Klageansprüche hat das Berufungsgericht abge- trennt; sie sind nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens.
Vor Klageerhebung erhob B. ihrerseits vor dem Stockholms Tingsrätt gegen M. Klage mit dem Begehren festzustellen, dass das europäische Patent in den Mitgliedstaaten, für die es erteilt wurde, nicht verletzt wird; über den genauen Gegenstand der Feststellungsklage, über die noch nicht entschieden ist, streiten die Parteien.
Nach Anhängigkeit des schwedischen Verfahrens, aber gleichfalls vor Erhebung der vorliegenden Klage nahm M. B. und die Be- klagten vor dem Landgericht Mannheim wegen Verletzung des Klagepa-tents durch Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen u.a. auf Unter-lassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Scha-densersatzpflicht in Anspruch. Mit Vertrag vom 14. Juli 2010 räumte M. der Klägerin ab dem 15. Juli 2010 eine unentgeltliche, zeitlich unbegrenzte ausschließliche Lizenz am Klagepatent ein und erklärte so-dann den Rechtsstreit vor dem Landgericht Mannheim hinsichtlich der gel-tend gemachten Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche für die Zeit ab dem 15. Juli 2010 einseitig für erledigt. Das Landgericht Mann-heim wies die Klage gegen B. gemäß Art. 27 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidun-gen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG L 12/1 vom 16. Januar 2001, Brüssel-I-VO, im Folgenden: Verordnung) als unzulässig ab und setzte die Verhandlung gegen die Beklagten gemäß Art. 28 der Verordnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des schwedischen Verfahrens aus. Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies mit Urteil vom 14. November 2012 die Berufung der Patentinhaberin gegen das B. betreffende klageabwei- sende Urteil zurück.
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Das Landgericht hat im vorliegenden Verfahren die Klage hinsicht-lich der Anträge auf Verurteilung zur Auskunft und Rechnungslegung so-wie Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz für seit dem 15. Juli 2010 begangene Handlungen für zulässig erklärt und sie im Übrigen als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Be-rufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung der Klägerin die Klage für insgesamt zulässig erklärt. Mit der vom Berufungsgericht zu-gelassenen Revision verfolgen die Beklagten den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der unzulässigen Klage.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Zulässigkeit der Klage stehe weder das Verfahren vor dem Stockholms Tingsrätt noch der vor dem Landgericht Mannheim anhängige Rechtsstreit entgegen.
Die Voraussetzungen des Art. 27 Abs. 2 der Verordnung lägen nicht vor. Ob es in beiden Verfahren um denselben Anspruch gehe, bedür-fe keiner vertiefenden Betrachtung. Es fehle jedenfalls in Bezug auf die Beklagten, die an dem schwedischen Verfahren nicht beteiligt seien, an der notwendigen Identität der Parteien.
Die Klage sei auch nicht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit der Streitsache vor dem Landgericht Mannheim unzulässig. Mit der Erteilung einer ausschließlichen Lizenz verliere der Patentinhaber nicht notwendi-gerweise seine materiellen Ansprüche aus dem lizenzierten Schutzrecht. Vielmehr behalte er, wenn er durch die Verletzung betroffen sei, seine Klagebefugnis. Da der ausschließliche Lizenznehmer daneben eine eige-
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ne Klagebefugnis habe, stünden die Ansprüche wegen Patentverletzung zwei Rechtssubjekten zu. Patentinhaber und ausschließlicher Lizenzneh-mer könnten folglich unabhängig voneinander und an verschiedenen Ge-richtsstandorten gegen einen Schutzrechtsverletzer vorgehen. Zwar sei ein ausschließlicher Lizenznehmer an die rechtskräftige Abweisung der Klage des Schutzrechtsinhabers gebunden, wenn dieser den Rechtsstreit vor Vergabe der ausschließlichen Lizenz geführt und mithin das „Vollrecht“ geltend gemacht habe. Völlig anders lägen aber die Verhältnisse, wenn während des Verletzungsprozesses eine ausschließliche Lizenz vergeben werde und fortan beide Berechtigten ihre jeweiligen Ansprüche neben-einander verfolgten. Indem sich wie im vorliegenden Fall M. im Mannheimer Verfahren der anfänglich aus dem Vollrecht klagende Pa-tentinhaber auf diejenige reduzierte Rechtsposition zurückfallen lasse, die einem betroffenen Schutzrechtsinhaber nach Vergabe einer ausschließli-chen Lizenz zukomme, sei eine Prozesssituation gegeben, wie sie auch vorläge, wenn die Lizenz bereits vor Beginn des Verletzungsprozesses vergeben worden wäre.
II. Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
Der Inanspruchnahme der beklagten Geschäftsführer steht entge-gen, dass die geltend gemachten Ansprüche weiterhin vor dem Landge-richt Mannheim rechtshängig sind (§ 261 Abs. 3 Nr. 1, § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Veräußerung der streit-befangenen Sache oder die Abtretung des geltend gemachten Anspruchs nach Eintritt der Rechtshängigkeit auf den Prozess keinen Einfluss. Zweck der Vorschrift ist es, zu verhindern, dass eine Partei sich der Rechtskraft-wirkung entzieht, indem sie den Streitgegenstand nach Rechtshängigkeit veräußert. Gleichzeitig soll der Prozessgegner des Veräußerers vor der Gefahr eines neuen Prozesses geschützt werden. Eine Veräußerung in
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diesem Sinne ist insbesondere dann gegeben, wenn ein Rechtsübergang stattfindet, der einen Wechsel in der Sachlegitimation begründet (Stein/Jonas/Roth, 22. Aufl., § 265 ZPO Rn. 14; Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 265 Rn. 6). § 325 Abs. 1 ZPO, der mit dem Rechtsgedanken des § 265 in engem Zusammenhang steht, erstreckt die subjektiven Wirkungen der Rechtskraft auf den Rechtsnachfolger, sofern die Rechtsnachfolge nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit stattgefunden hat.
2. Die Rechtspositionen des Schutzrechtsinhabers und des aus-schließlichen Lizenznehmers sind voneinander insoweit unabhängig, als ein Urteil gegen den einen nicht ohne weiteres Rechtskraftwirkung gegen-über dem anderen entfaltet. Anders als bei der Veräußerung des Patents verliert der Patentinhaber nicht seine Sachlegitimation, wenn er einem Li-zenznehmer am Patent eine ausschließliche Lizenz einräumt, sondern bleibt neben diesem zur Geltendmachung der in §§ 139 ff. des Patentge-setzes vorgesehenen Ansprüche befugt (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 X ZR 94/10, BGHZ 192, 245 Rn. 15 f. Tintenpatrone II; Urteil vom 5. April 2011 X ZR 86/10, BGHZ 189, 112 Rn. 13 Cinch-Stecker; Urteil vom 20. Mai 2008 X ZR 180/05, BGHZ 176, 311 Rn. 25 ff. Tinten-patrone). Mit der Einräumung einer ausschließlichen Lizenz können Pa-tentinhaber und Inhaber der ausschließlichen Lizenz an dem Patent unab-hängig voneinander gegen Verletzungen des Schutzrechts vorgehen. Der ausschließliche Lizenznehmer hat dabei zwar oft das überwiegende oder gar alleinige Interesse an der Abwehr von Rechtsverletzungen und am Ausgleich durch Schadensersatz; dem Schutzrechtsinhaber können aber eigene Ansprüche insbesondere dann zustehen, wenn ihm aus der Li-zenzvergabe fortdauernd materielle Vorteile erwachsen, etwa wenn er an der Ausübung der Lizenz durch den Lizenznehmer partizipiert (BGH, aaO Tintenpatrone II; Cinch-Stecker).
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Auch wenn die Rechtspositionen von Patentinhaber und aus-schließlichem Lizenznehmer voneinander unabhängig sind, leitet der Li-zenznehmer dennoch seine Rechtsstellung von dem Schutzrechtsinhaber und aus dessen Schutzrecht ab. Der Patentinhaber kann dem Lizenzneh-mer, soweit es um das gegenüber Dritten wirksame Ausschließlichkeits-recht geht, keine Rechtsposition verschaffen, die ihm nicht zuvor als Be-standteil seines (noch nicht um eine solche abgeleitete Berechtigung ge-schmälerten) Patentrechts zusteht. Dies zeigt sich daran, dass wie auch das Berufungsgericht ausführt der Lizenznehmer nicht anders als der Erwerber des Patents oder einer Mitberechtigung an dem Patent an ein Urteil gegen den Schutzrechtsinhaber gebunden ist, wenn die Lizenz nach Eintritt der Rechtskraft eingeräumt wird. Aber auch wenn die Einräumung einer ausschließlichen Lizenz vor Eintritt der Rechtskraft, jedoch nach Ein-tritt der Rechtshängigkeit erfolgt, ist der ausschließliche Lizenznehmer (Teil-)Rechtsnachfolger des Patentinhabers. Denn in beiden Fällen Lizenzerteilung nach Rechtskraft und Lizenzerteilung vor Rechtskraft, aber nach Rechtshängigkeit kann die Rechtskrafterstreckung nur auf § 325 Abs. 1 ZPO gestützt werden. Diese Vorschrift stellt gerade nicht auf den Zeitpunkt der Rechtskraft ab, sondern aus den genannten Gründen auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit.
Dass der Patentinhaber eine eigene Berechtigung behält, ist uner-heblich. Insofern ist die Situation nicht anders, als wenn der Patentinhaber nach Klageerhebung einem Dritten die Mitinhaberschaft am Klagepatent einräumen würde; auch auf diesen Fall wäre § 265 ZPO anzuwenden.
3. Nach alledem ist die Klägerin, soweit das Klagebegehren in beiden Verfahren objektiv übereinstimmt, an die Rechtskraft einer in dem Mannheimer Rechtsstreit ergehenden Entscheidung gebunden und nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO an einer eigenen Klage gehindert, solange jene Klage anhängig ist.
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a) Dieselbe Streitsache im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn derselbe objektive Streitgegenstand von einer oder gegen eine Partei geltend gemacht wird, die an die Rechtskraft einer Entscheidung im bereits rechtshängigen Rechtsstreit gebunden ist (BGH, Urteil vom 5. Ja-nuar 1960 I ZR 100/58, GRUR 1960, 379, 380 Zentrale).
b) In objektiver Hinsicht ist der Streitgegenstand der Verfahren in Mannheim und Düsseldorf identisch. M. hat in dem vor dem Land- gericht Mannheim anhängigen Rechtsstreit die Beklagten (neben B. ) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Die letzteren Ansprüche sind mangels einer in den Klageantrag aufgenommenen zeitlichen Be-schränkung auch für die Zukunft geltend gemacht worden (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 X ZR 234/02, BGHZ 159, 66, 70 f. Taxameter). Sie betreffen damit alle Verletzungshandlungen bis zum Ende der höchstmög-lichen Schutzdauer. Die den Streitgegenstand des vorliegenden Rechts-streits bildenden Ansprüche sind daher, wie von der Revision zutreffend dargelegt, in vollem Umfang beim Landgericht Mannheim rechtshängig gemacht worden. Diese Rechtshängigkeit dauert unbeschadet des Um-stands, dass die Klageansprüche infolge der Lizenzerteilung nunmehr teilweise der Klägerin zustehen, fort, da die Beklagten insoweit weder ei-ner Klagerücknahme zugestimmt noch sich der von M. abgegebe- nen Erledigungserklärung angeschlossen haben.
III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reift ist, ist die Klage gegen die Beklagten insgesamt als unzulässig abzuweisen.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Meier-Beck Mühlens Bacher
Schuster Deichfuß
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.04.2011 – 4a O 153/10 –
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.04.2012 – I-2 U 18/12 –